Nur wer Sicherheit empfindet kann sein Potenzial entfalten

Wir alle haben es bereits erlebt, dass wir uns  von unserem Gegenüber ungerecht, unfair, herablassend oder schlicht unsachgemäss behandelt wurden. Oder andersrum mussten sich die meisten von uns auch schon Mal eingestehen, dass das Verhalten in bestimmten Situationen anderen gegenüber nicht den eigenen Prinzipien entsprach oder nicht in Ordnung war.
Welchen Umständen liegt dieses Handeln zu Grunde, welches unsere Rationalität ausser Kraft setzt und meist rein emotional begründet ist?

Es gibt Momente, in welchen die Rationalität in unserem Handeln und Denken zu Gunsten der Emotionalität flöten geht. Dies äussert sich je nach Persönlichkeit und Situation in ganz verschiedenen Formen, doch sind emotionale Willensäusserungen, gegenüber rationalen-, immer ehrlich womit diese für eine langfristige Orientierung einen gewaltigen Mehrwert geniessen.

Unglücklicherweise ist gerade im Arbeitsalltag die Bewältigung von emotionalen Willensäusserungen von hoher Wichtigkeit, vor Allem wenn man direkt an Kunden oder externen Partnern tätig ist. Eine Aufgabe welche über lange Dauer sehr Energieaufwändig- und in den meisten Fällen nicht ohne Nebenwirkungen (für die direktbetroffenen als auch deren Gegenüber) zu bewältigen ist. Dies kann sich wiederrum sehr negativ auf das Unternehmen auswirken, welches die betroffenen Personen repräsentieren, wodurch sich der Kreis schliesst.

 

Ein Praxisbeispiel: Vor nicht allzu langer Zeit wendete sich eine Bekannte an mich, weil sie sich in Ihrem Job (Hotelfachfrau) nicht erfüllt oder gar überfordert fühlte. Ihr machte vor Allem zu schaffen, dass die Feedbacks von Gästen und Kollegen ihr gegenüber wohl zunehmend schlechter wurden.

Im Gespräch konnten wir ermitteln, dass ihre persönliche Entwicklung deren Ursprung in organisatorischen Veränderungen im Unternehmen vor ca. einem Jahr haben. Diese organisatorischen Veränderungen hatten damals personelle sowie kulturelle Konsequenzen, so wurde der Personalbestand reduziert und die Funktionen der Angestellten vermehrt an quantitativen Zielen orientiert.

Diese Massnahmen haben sich massiv auf das Sicherheitsempfinden der Mitarbeitenden ausgewirkt, denn wer die quantitativen Ziele nicht erreichte musste mit Konsequenzen rechnen.

Wie sich mir persönlich an diesem Beispiel zeigt, ein massiver Fehler der Führung, denn das Sicherheitsempfinden ist Grundvoraussetzung für jegliche Art der Potenzialentfaltung und damit der Erreichung irgendwelcher quantitativen Superlativen.

Wer in seinem Umfeld keine Sicherheit und Rückhalt empfindet investiert seine Energie in die Schaffung eben dieser Sicherheit bevor auch nur ein minimaler Teil in die Potenzialentfaltung investiert werden kann.

Gerade in der Hotellerie kann diese Entwicklung fatale Auswirkungen haben, denn "mit dem Messer am Hals" wird wohl selbst die am besten ausgebildete Fachkraft nicht in der Lage sein, den Hotelgästen Wohlbefinden und Zufriedenheit zu vermitteln, da die dafür bereitgestellten Ressourcen in die eigene Sicherheit investiert werden müssen.

Bedürfnispyramide nach Maslow. Zum vergrössern klicken.
Bedürfnispyramide nach Maslow. Zum vergrössern klicken.

Diese Feststellung stützt sich auf eines der bekanntesten Prinzipien der Psychologie: der Bedürfnispyramide nach Maslow.

Anhand eines einfachen Vergleichs lässt sich das oben beschriebene Praxisbeispiel an der Bedürfnispyramide verdeutlichen: Zur Zeit in welchem das menschliche Individuum wie wir es heute kennen seinen Ursprung nahm, war dieses von Gefahren um Leib und Leben umgeben. Wilde Tiere, die Witterung oder die Kraft der Elemente stellten Tag für Tag eine Gefahr für die Menschen in ihrem Handeln dar, und trotzdem waren diese gezwungen sich in diese Gefahren zu begeben um zu überleben. Das menschliche Individuum überstand diese Gefahren und entwickelte sich zu dem was es heute ist aus einem einzigen Grund: Es war in der Lage sein volles Potenzial auszuschöpfen, weil die geschaffenen Bedingungen dies erlaubten. Eine der Grundbedingungen dabei ist das Sicherheitsempfinden (Stufe 2 nach Maslow).  Die menschlichen Individuen waren in der Lage, durch die Kombination verschiedener individueller Fähigkeiten sich gegenseitig das notwendige Sicherheitsempfinden zu verschaffen, um die nächste Stufe der Bedürfnispyramide zu erreichen. Während einige Individuen in der Lage waren, sich durch den Bau von Gebäuden gegen die Elemente zu schützen, waren andere in der Lage, durch Jagdgeschick für die Versorgung mit Nahrung zu sorgen. Weitere Individuen sorgten durch deren militärische Fähigkeiten dafür, das sich die übrigen Angehörigen der sozialen Gesellschaft nicht vor Eindringlingen fürchten mussten und damit deren Potenzial voll ausschöpfen konnten.

Fällt jedoch eine dieser Disziplinen weg (z.B. der Schutz gegen die Elemente), so müssen sich die übrigen Disziplinen permanent damit beschäftigen nicht den Elementen zum Opfer zu fallen. Dies wirkt sich auf die Qualität der militärischen Verteidigung, der Nahrungsbeschaffung und der Sozialität aus, was wenn nicht aufzuhalten zum Zerfall der sozialen Gesellschaft führt.

 

Die Parallelen von der Urzeit zum modernen Menschen in seinem schöpferischen Handeln sich nach wie vor Erkennbar.

So sollte sich die Führung im oben genannten Beispiel schnellstmöglich damit auseinandersetzen, wie den Mitarbeitenden die Versagensängste genommen und das Sicherheitsempfinden im Unternehmen zurückgegeben werden kann, damit die notwendigen Voraussetzungen für die erwartete Potenzialentfaltung gegeben sind.

Diese Erkenntnisse lassen sich aber nicht nur auf die Gastronomie oder das Verhalten des Urmenschen anwenden, sie finden in allen Disziplinen Anwendung, denn das Prinzip ist immer dasselbe. Nur wer Sicherheit und Rückhalt empfindet kann nach höheren Zielen streben und seine Energie in die Potenzialentfaltung stecken.

Oder andersrum: Emotionale Meinungsäusserungen im Arbeitsalltag sind nicht nur ehrlich, sondern vielmals ein Hilferuf nach Sicherheit um das eigene Potenzial im Sinne des Unternehmens besser entfalten zu können.

Diese Zusammenhänge werden von Simon Sinek in seiner Ansprache "Why Leaders eat last" sehr präzise erläutert.

 

Welche Erfahrungen habt ihr in diesem Zusammenhang gemacht, oder wie steht ihr dazu?

 

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