Leader oder Diener? Die Zweideutigkeit des Leaderships

Mit dem Begriff "Leader" verbindet man in erster Linie eine Führungspersönlichkeit, jemand der an der Spitze steht, Entscheidungen trifft und die Gefolgschaft anführt. Merkwürdigerweise zeigt uns die Geschichte anhand allgemein bekannter Bespiele für herausragende "Leader" (z.B. Mahatma Ghandi, Nelson Mandela, Margaret Thatcher oder Mutter Theresa) dass die masgebenden Eigenschaften eines Leaders wo ganz anders zu finden sind.

Wer in der Geschichte der Menschheit nach Führungsfiguren sucht, kommt um bestimmte Beispiele nicht herum. Unter diesen finden sich alle erdenklichen Ausprägungen von Anführern und Anführerinnen wie Revolutionäre, Kriegsherren, Regenten, Akademiker, Künstler, spirituelle Anführer etc.

 

Mir scheint jedoch, dass sich in der Art und Weise wie diese Charakteren zu ihrem Einfluss gekommen sind bzw. wie sie diesen ausübten grosse Differenzen zeigen. Vorwiegend in der Nachhaltigkeit des Bestrebens, welches die jeweiligen Anführer verfolgten, zeigen sich massive Unterschiede (bzw. Gemeinsamkeiten) in Abhängigkeit der Art und Weise wie die Führungstätigkeit ausgeführt wurde.

 

Vergleichen wir einfach Mal die Folgen des Handelns zweier Revolutionäre, welche beide dasselbe Ziel verfolgten, dies jedoch auf vollkommen verschiedene Art und Weise taten:

 

Nelson Mandela (Südafrika) und Napoleon Bonaparte (Frankreich).

 

Beide verschrieben sich deren Vision einer Staatform welche sich massiv von derjenigen unterscheidet in welcher sie jeweils aufgewachsen sind. So engagierte sich Napoleon gegen die vorliegende Form der Monarchie in Frankreich, Mandela gegen die Apartheit in Südafrika.

 

Beide agierten dabei "illegal" nach den jeweils vorherrschenden Gesetzen und beide erlangten deren Einfluss durch die Mobilisierung einer Gefolgschaft, welche die Interessen der jeweiligen Führungsperson teilten und deren Vorhaben aktiv unterstützen. Ebenfalls erreichten beide das von ihnen verfolgte Ziel der Revolution im jeweiligen Geburtsstaat und beide führten die jeweilige Nation als Oberhaupt des Staates an. Jedoch starb nur einer der beiden als geachtetes Staatsoberhaupt und auch nur einer der beiden bleibt als allgemeingültiges Paradebeispiel für Leadership und Führungsqualität in Erinnerung. Der andere der beiden Revolutionäre starb als gefallener Regent im Exil und wird in der Geschichte auch zumeist als dies beschrieben, als ein gefallener Regent, doch nicht als Führungsperson oder gar als Leader.

Napoleon hat mehr erfolgreiche Schlachten geschlagen als Mandela, Napoleon hat ein massiv grösseres Reich über eine wesentlich längere Zeit erfolgreich regiert und Napoleon hatte zur Zeit seines Aufstiegs eine erheblich grössere Gefolgschaft als Mandela. Was macht den Unterschied, dass Napoleon Bonaparte trotz all dessen was er mit seinem Handeln erreicht hat als gefallener Kaiser in die Geschichte eingeht, während Nelson Mandela in einschlägiger Literatur und über kulturelle Grenzen hinaus als Sinnbild für erfolgreiches Leadership gilt?

 

Das Verständnis von Leadership nach Nelson Mandela
Das Verständnis von Leadership nach Nelson Mandela

 

Der Blick auf die Errungenschaften von Napoleon im Vergleich zu Mandela zeigt deutlich, dass erfolgreiches Leadership in keiner Weise im direkten Zusammenhang mit den Quantitäten welche eine Führungsperson erreicht im Kontext steht. Es ist nicht das "was" das Mandela von Bonaparte unterscheidet, den sie beide haben auf eine Art und Weise ähnlich gehandelt (einer militärisch, der andere diplomatisch), mit vergleichbaren Zielen. Auch kann es nicht das "wie" sein, das hier den Unterschied macht, denn in Anbetracht der geltenden Gesetze haben beide ausserhalb dieser gehandelt. Da bleibt nur noch das "weshalb" als Handlungsmotiv übrig, welches Mandela von Bonaparte differenziert.

 

Mandela sah sich selbst über seinen ganzen Lebens- und Leidensweg als Diener des Volkes Südafrikas und er hat dies auch in Öffentlichkeit verlauten lassen. Mandela hat sich selbst nie als Anführer und noch weniger als Regent erachtet, er selbst erachtete seine Funktion und seine Rolle in allem was er tat (egal ob als Revolutionär, ob als Gefangener des Regimes oder später als Präsident Südafrikas) immer dem Volk Südafrikas zu Dienst verpflichtet.

Das Handlungsmotiv (also das "warum") von Napoleon Bonaparte mag im Grundsatz bzw. im Sinne der Vision Napoleons demjenigen von Mandela gar nicht unähnlich gewesen sein (Interpretation aus den Memoiren Napoleons), was ihm den Rückhalt und die Unterstützung seiner Truppen sicherte. Doch zeugt das Handeln Napoleons hin zur Machtergreifung und vor allem während der Regentschaft von einem machtbezogenen Handlungsmotiv und stark egozentrischen Ambitionen. Die Handlungen Napoleons als Regent dienten der Festigung seiner Macht, einem Verhalten welchem Bonaparte ursprünglich mit der Unterstützung der Revolution entgegenwirken wollte.

 

 

Transferieren wir diesen Exkurs aus der Geschichte in den Arbeitsalltag, in welchem wir alle tätig sind, wir erkennen bestimmte Zusammenhänge unverzüglich wieder und stellen fest, weshalb die Mächtigen unserer Gesellschaft nur in ganz wenigen Fällen auch wirklich die Führenden oder gar Leader sind.

 

Eine Aussage welche dies ganz simpel auf den Punkt bringt ist folgende:

 

“In the military, they give medals to people who sacrifice themselves so that others may gain, In business, they give bonuses to people who sacrifice others so that they may gain.” (Zitat Simon Sinek, TED 2014)

 

In militärischen Organisationen werden Menschen geehrt, welche sich selbst in Gefahr bringen (wörtlich übersetzt "opfern") um andere zu retten oder um anderen zu dienen. Im Businessalltag werden Menschen dafür belohnt, dass sie andere opfern um den eigenen Gewinn zu steigern.

 

Unter Anbetracht dieser Darstellung und der Erkenntnisse aus den Parallelen zwischen den Handlungsmotiven der beiden oben erwähnten Revolutionäre stelle ich mir die Frage ob in unserer Gesellschaft überhaupt Platz für echtes Leadership ist....

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0