Service Excellence und die „einfache Arbeitskraft“ – ich habe sowieso keinen Einfluss

Ein Ausdruck welcher sich, unter den erschwerenden wirtschaftlichen Bedingungen am Schweizer Markt, zunehmend ausserhalb des dritten Wirtschaftssektors etabliert ist der des „Service Excellence“.

Dabei handelt es sich letztendlich um das Zufriedenheitsempfinden des Kunden über den gesamten Interaktionsprozess und damit für das Unternehmen um einen wesentlichen Faktor der Kundenbindung.

Dass dabei jede beteiligte Instanz einen wesentlichen Einfluss hat (also auch diejenigen ohne direkte Kundeninteraktion) ist den wenigsten dieser Instanzen bewusst, doch sind es nicht selten diese welche Excellence am vorbildlichsten betreiben.

Ein beeindruckendes Beispiel dafür hat sich mir in dieser Woche offenbart.

Vor wenigen Tagen hatte ich das Privileg, einen Lastwagenfahrer auf seiner Route begleiten zu dürfen. Dem Klischee nach sind LKW- Chauffeure nicht unbedingt die filigranen Vollstrecker hinsichtlich der theoretischen Inhalte des Service- Excellence. Der Zeit- und Kostendruck auf diese Arbeitskräfte wächst stetig und beschneidet diese in vielerlei Hinsicht betreffend deren Ambitionen betreffend Service- Excellence.

Der Chauffeur, welchen ich begleiten durfte, entspricht in vielerlei Hinsichten den klassischen Klischees des „Truckers“. Die Tatsache, dass er im Nebenberuf als Security tätig ist und aktiv Kampfsport betreibt ist seinem körperlichen Erscheinungsbild auf Anhieb zu entnehmen. Entsprechend selbstsicher und überzeugend vertritt er gegenüber anderen seinen Standpunkt und die Interessen seines Unternehmens.

Und genau diese Umstände macht sich dieser Chauffeur zum Vorteil um Service- Excellence zu praktizieren – mit Erfolg!

Obwohl einige seiner Verhalten ihm persönlich wohl nicht im Sinne von Service- Excellence bewusst sind, so tragen diese nachweislich zum Erfolg bei und zeigen auf, dass es weder einer akademischen Bildung in diesem Fachbereich noch einer entsprechenden hierarchischen Position bedarf, um aktiv Einfluss zu nehmen.

 

Wie lässt sich Service- Excellence in drei Buchstaben beschreiben? Ganz einfach: „WOW“.

Der Sinn des Service- Excellence ist kein anderer als die Erwartungen des Kunden insofern zu übertreffen, dass durch diesen „WOW- Effekt“ eine Stärkung der Kundenbindung stattfindet, welche sich wiederrum als Mehrwert für das Unternehmen rechnet.

Das ganze nun im Zusammenhang mit dem vorliegenden Beispiel des Lastwagenfahrers:

Welche Erwartungshaltung hat der Warenempfänger an einen Chauffeur, welcher am frühen Morgen Waren anliefert? Wahrscheinlich sind auch hier die Klischees nicht unbedeutend, sodass der Warenempfänger damit rechnet einen durchschnittlich gelaunten Fahrer / Fahrerin anzutreffen welche(r) möglichst rasch abladen und wieder zurück auf die Strasse will, da die nächste Ladung bereits wartet.

Das Transportunternehmen hat im Vorfeld die Warenanlieferung in einem 30 Minuten Zeitfenster in Aussicht gestellt, was anhand der Verkehrslage als durchaus ambitioniert interpretiert werden kann.

Möglicherweise rechnet der Warenempfänger dadurch bereits mit Verspätungen, da die Ware durch die morgendliche Rushhour von Bern in die Region Aarau geliefert werden soll.

Des Weiteren weiss der Warenempfänger möglicherweise nicht, mit welcher Art Fahrzeug die Lieferung ausgeführt wird, entsprechend sind die Zufahrtmöglichkeiten mit dem Fahrzeug und der Entladeprozess noch völlig unklar.

Vielerlei Unbekannte welche das Zufriedenheitsempfinden des Warenempfängers beeinflussen.

Die Details, mit welchen der besagte Chauffeur und das Transportunternehmen in diesem Falle den Job erledigen sind es, welche hier den Ausschlag geben.

So ist bei Abfahrt in Bern das Fahrzeug bereits einwandfrei Beladen und die Transportsicherung gewährleistet. Der Fahrer braucht nur eine Sichtkontrolle der Beladung und Transportsicherung zu machen, keine Nacharbeiten. Dies erspart bereits zum ersten Mal  Zeit und vermindert das Risiko einer Verspätung. Hier hat demnach im Vorfeld bereits jemand Service-Excellence (gegenüber dem Chauffeur und indirekt gegenüber dem Warenempfänger) geleistet.

Die Ware geht zeitgerecht auf die Strasse, sodass 30 Minuten bevor das von der Spedition vorgegebene Zeitfenster zur Warenanlieferung beginnt, diese sich vor der Autobahnausfahrt zur Zieldestination befindet.

Hier passiert nun etwas Beeindruckendes: Der Chauffeur entscheidet sich für eine Kaffeepause auf der Raststädte vor der Autobahnabfahrt um nicht vor dem angegebenen Zeitfenster vor Ort zu sein.

Des Weiteren ruft er, nachdem er den LKW parkier hat, den Warenempfänger an um seine zeitgerechte Ankunft anzukündigen. Der Anruf erfolgt nicht während der Fahrt bei laufendem Radio und laufendem Motor sondern an einer ruhigen Stelle bei parkiertem LKW. Damit zeigt der Chauffeur dass seine volle Aufmerksamkeit dem Gespräch mit dem Warenempfänger gilt und ist sogar in der Lage, sich ohne Gefahr eine Notiz zu machen oder Informationen zu beschaffen.

Das Telefongespräch ist äusserst formell, denn auch wenn der Chauffeur selbst eine sehr einfache Person ist, welche evtl. lieber auf bestimmte Formalitäten verzichtet, so repräsentiert er in dem Moment doch das Unternehmen und dessen Prinzipien. So wird bei der Grussformel beispielsweise der Name des Unternehmens erwähnt und anstelle eines einfachen „Grüezi“ das wesentlich formellere „Guten Morgen“ verwendet. Ebenfalls wird der Gesprächspartner / die Geprächspartnerin mit der formellen Anrede Herr / Frau XXXX angesprochen, auch wenn das „Du“ unter Lastwagenfahrern verbreiteter ist.

Aufgrund dessen dass das Telefongespräch bei parkiertem LKW stattfindet kann der Fahrer sämtliche Dokumente zur Hand nehmen und dem Warenempfänger sogleich jegliche Fragen zum Fahrzeug, der Warenverpackung und dem Entladeprozess beantworten, was eine saubere Vorbereitung seitens des Warenempfängers bis zur Anlieferung ermöglicht.

Pünktlich zu Beginn des prognostizierten Entladezeitfensters trifft der LKW an der Zieldestination ein. Hier zeigt sich ein weiteres Beispiel von Service- Excellence: Obwohl die Zufahrt für den LKW zu klein ist (Gesamthöhe der Zufahrt zu gering) stellt der Fahrer den LKW nicht einfach auf der Zufahrtsstrasse ab und überlässt das Problem dem Warenempfänger (entsprechend den Vertragsbedingungen wäre dies sein gutes Recht), sondern er sucht mit dem Warenempfänger eine geeignete Lösung, welche sich durch die Fahrkünste des Chauffeurs dann auch sauber umsetzen lässt.

Und hier noch ein Detail: Sobald der Fahrer angekommen ist steigt dieser aus dem Fahrzeug aus und geht auf den, am Wareneingang wartenden, Warenempfänger zu um ihm die Hand zu schütteln und sich vorzustellen. Bei dem zu Beginn erwähnten optischen Erscheinungsbild dieses Fahrers hinterlässt dies beim Warenempfänger mit grosser Wahrscheinlichkeit einen sehr positiven Eindruck.

Nach dem Händedruck und der Vorstellung macht der Chauffeur einen Vorschlag zum speditiven Warenentlad (er ergreift die Initiative) und lässt sich diesen vom Warenempfänger bestätigen bzw. lässt ggf. den Warenempfänger einen Gegenvorschlag einbringen.

Im Anschluss beginnt der Entladeprozess. Hierbei werden weder Zigaretten geraucht noch irgendwelche Lebensmittel konsumiert sondern speditiv und professionell gearbeitet. Der Chauffeur hat mit dem Warenempfänger vereinbart die Waren von der Rampe gleich in den dahinter befindlichen Ausstellungsraum zu befördern, was dieser unter Mitarbeit des Warenempfängers tut.

Sobald die Ware vollständig abgeladen ist und die Lieferscheine unterzeichnet werden, stellt sich der Warenempfänger die Frage ob der Chauffeur diese nicht auch noch gleich entpacken kann. Da dies nicht Bestandteil des Transportauftrages ist beantwortet der Fahrer diese Frage konsequent aber freundlich negativ und weist auf die Inhalte der Dienstleistung gemäss den vorliegenden Dokumenten hin.

Nach dem Unterzeichnen der Dokumente bedankt sich der Fahrer, unter Anwendung der Anrede und dem Namen seines Gegenübers, und reicht diesem formell die Hand zum Abschied (die Handschuhe wurden vorher ausgezogen!).

Bevor nun der Gedanke an eine Kaffeepause aufkommt macht sich der LKW- Fahrer auf, den Vorplatz zu räumen und den LKW wieder abfahrtbereit zu machen. Sämtliche Transportmittel (Palettenroller, Kanthölzer, Transportgurte) werden auf den LKW verladen und fachgerecht verstaut.

Bei der Abfahrt des LKW wird das Radio, wie bei der Anfahrt, auf eine minimale Lautstärke gestellt sodass nicht das gesamte anwesende Umfeld mit der Musikvorliebe des Chauffeurs berauscht wird.

 

Keine der angewendeten Tätigkeiten haben den Fahrer in irgend einer Weise in seiner Tätigkeit behindert oder dazu geführt, dass er zur Verrichtung seiner Arbeiten übermässig mehr Zeit in Anspruch nehmen musste. Jedoch wurden damit das Vertrauen und die Zufriedenheit des Kunden massiv gefördert, was sich in einem Mehrwert für das Unternehmen niederschlägt.

Das Beispiel zeigt auf eindrückliche Weise, mit welch geringen Aufwänden jede / jeder Service-Excellence betreiben und dem Unternehmen einen Mehrwert generieren kann.

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